Conny Dietrich: Altenburg, Annaberg, Zeitz. Die vergessenen expressionistischen Wandbilder von Ernst Müller-Gräfe in mitteldeutschen Kleinstädten. In: Expressionismus, Heft 16/2022 (Themenheft: Provinz), hrsg. von Kristin Eichhorn und Johannes S. Lorenzen, S. 41-60.
Als entartet gebrandmarkt, übermalt, zerstört verschollen. Vor allem die ortsbezogenen Wandmalereien des Altenburger Künstlers Ernst Müller-Gräfe (1879–1954) sind heute nur einem kleinen Kreis lokaler Kunstinteressierter bekannt. Dabei wurde seine 1925 realisierte Ausgestaltung einer für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges neu eingerichtete Gedächtniskapelle in der St. Annenkirche in Annaberg einst als eines der bedeutendsten Monumentalwerke jener Zeit gepriesen und seinem Schöpfer weite Bekanntheit prophezeit.
Das Schicksal der Gemälde Müller-Gräfes gleicht dem zahlreicher anderer Werke, die Opfer nationalsozialistischer „Säuberungen“ oder kriegsbedingter Zerstörungen wurden. Hinzu kommt jedoch das jahrzehntelange Desinteresse der kunsthistorischen Forschung, die sich lange Zeit vorrangig mit den allseits bekannten Künstlernamen und deren leicht zugänglichen Arbeiten in großstädtischen Kunstmuseen beschäftigt hat, während verlorene Werke weniger namhafter Künstler:innen nach und nach in Vergessenheit gerieten.
Der Beitrag stellt das weitgehend unbekannte Schaffen des Künstlers vor und stützt sich dabei auf jüngere lokale Forschungen sowie den größtenteils unbearbeiteten Nachlass des Künstlers im Staatsarchiv Altenburg.